Friederike Kersten: Neuer Job, neues Pferd, neue Ziele
- Heidel
- 8. März 2018
- 3 Min. Lesezeit

Mit Platz 24 in der aktuellen Rangliste gehört Friederike Kersten zu den erfolgreichsten Reitsportlern in Sachsen-Anhalt. Dennoch lösen die knapp 3700 Ranglistenpunkte bei der 25-jährigen Sportlerin des Wörmlitzer SV keinen Jubel aus: „Ich war schon mal in den Top 10.“
Gesammelt hat die Medizinerin ihre Punkte unter anderem mit einem Sieg in Pietzpuhl. Im abschließenden S*-Springen setzte sie sich auf Cruzianer beim Großen Preis im Stechen gegen Dirk Holländer (RV Ihleburg) und Anne-Katrin Hoffmann (Schermen/Pietzpuhl) durch. Das war im September. Ähnlich spannend verlief der Große Preis von Königsborn im Mai. Auch hier schafften es nur drei Akteure ins Stechen. Friederike landete auf Rang zwei hinter Christof Kauert (Schönebeck) und vor Hendrik Ernst aus Königsborn. Interessante Begebenheit am Rande: Mitten im Landtagswahlkampf für die SPD hatte Mutti Franziska einen Preis für die beste Amazone ausgelobt: „Ich habe das Präsent an die nächstplatzierte Carola Schedlbauer aus Wernigerode weitergegeben“, erzählt Friederike im Gespräch mit dem Alpha-Report.
Ihren zwölfjährigen Wallach nennt sie liebevoll Cruzi. Irgendwie zählt das Tier zur Familie, zu der auch Vater Andreas gehört. Friederikes Eltern sind beide promovierte Tierärzte. Die Jobs von Dr. Andreas Kersten aus dem altmärkischen Kossebau bestimmten in den vergangenen Jahren die Wohnsitze der Familie. Friederike erlebte einen Teil ihrer Kindheit auf dem Gestüt von Paul Schockemöhle im mecklenburgischen Lewitz. Später verlegte Kersten den Lebensmittelpunkt seiner vierköpfigen Familie (Friederikes Bruder Ludwig ist zwei Jahre jünger) nach Aachen. Genauer: Noch ein kleines Stück weiter hinter die belgische Grenze. Er leitete dort eine Pferdeklinik. Und betreute die Tiere beim weltberühmten Turnier CHIO in Aachen. Überraschend: Für die Abiturientin Friederike steht im deutschen Herzen des Pferdesports eine ganz andere Freizeitbeschäftigung an erster Stelle: Handball. Sie spielt mit ihrem Verein HC Eynatten-Raeren in der ersten belgischen Liga: „Allerdings ist das Niveau dort mit Deutschland nicht vergleichbar.“ Sie spielte dort Linksaußen, trotz ihrer Größe eher selten im Rückraum: „Tore erzielen war für mich nicht das Wichtigste.“
Friederike und die Medizin in Kamerun
Ihre Handball-Karriere endet ausgerechnet mit dem Umzug in die Handballstadt Magdeburg. 2010 beginnt sie ein Medizinstudium an der Guericke-Universität. Mit dem Wörmlitzer SV findet sie den idealen Verein für ihre Ansprüche. Cruzianer steht im Pensionsstall von Oliver Klüsener, der die beiden auch trainiert. Erfolge lassen nicht lange auf sich warten. Unter anderem holt sich das Gespann Silber bei den Landesmeisterschaften 2015 in Pietzpuhl hinter Ralf-Werner König aus Haldensleben. Bei den Deutschen Studentenmeisterschaften holt sich Friederike Gold in der Mannschaftswertung mit Stefan Bruchmüller und Nancy Krause. Das Besondere: Hier reiten die Akteure fremde Pferde.

Ihren Wallach charakterisiert sie als „nett und menschenbezogen“. Allerdings: „Er ist bei Wettkämpfen oft aufgeregt, manchmal sogar ängstlich.“ Seit das Tier vier Jahre alt war, hat Friederike ihren Cruzi selbst geritten beziehungsweise ausgebildet: Vom Springpferde A bis zu den Erfolgen in der schweren Klasse. Sie sagt das nicht ohne Stolz, redet im gleichen Atemzug aber auch von den Trainern Maria Haugg, Sönke Sönksen und aktuell Oliver Klüsener. Für Friederike ist Cruzianer die Vergangenheit und Gegenwart - die Zukunft heißt Otara und ist eine achtjährige Stute: „Sie ist ein großes Talent, hatte aber noch nicht die entsprechende Ausbildung.“ Seit zwei Monaten arbeiten sie und der Trainer mit Otara: Die Freiluftsaison kann kommen.
Wenn Friederike Kersten 2017 sportlich nicht als das erfolgreichste bezeichnet, beruflich war es das auf jeden Fall. Sie hat das Studium gemeistert und ihre erste Stelle als Assistenzärztin im Schönebecker Kreiskrankenhaus angetreten.
Geprägt hat sie ein viermonatiges Praktikum im westafrikanischen Kamerun. Ein Land am Golf von Guinea mit 24 Millionen Einwohnern, die es seit Jahren mit schweren Unruhen zu tun haben. Die Separatisten im westlichen Kamerun streben ihre Unabhängigkeit an. Präsident Paul Biya geht nicht zimperlich mit ihnen um.
Friederike Kersten arbeitet in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Jaunde. Die Bedingungen sind ganz andere als in Deutschland: „Nach der Rückkehr bin ich kein anderer Mensch, aber ich weiß unser Gesundheitssystem zu schätzen.“ Friederike spricht von Kindern, die an durchaus heilbaren Krankheiten sterben: „Es mangelt an Medizin, Material und Geld.“ Infektionen nach einer Operation sind keineswegs Ausnahmen, weil es oft an der Sterilisation hapert. „Es passiert häufiger, dass Operationen abgesagt werden, weil eine Maschine für die Sterilisation nicht funktioniert.“

Während sich in Deutschland der Winter endgültig verabschiedet, arbeitet Friederike nach Feierabend mit Cruzianer und Otara für eine erfolgreiche Saison. Wir werden sehen, wo sie im Herbst auf der Rangliste steht - vielleicht wieder in den Top 10!
Fotos: Friederike Kersten mit Cruzianer in Wörmlitz (oben) beziehungsweise beim Reitturnier in Königsborn 2017
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