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Kein Vogelgezwitscher in der schwarzen Wüste

Autorenbild: HeidelHeidel

Wanderritt von Mützel (bei Genthin) nach Lübben im Spreewald: 30 bis 40 Kilometer am Tag legen unsere Wanderreiter zurück, heute wollen sie von Treuenbrietzen zum Erlebnishof nach Werder. Mit knapp 17 Kilometern die kürzeste Tour der Woche.

Gestern gab es Tequila, heute ist die Stimmung blendend. Die Neulinge auf der Geländestrecke sind zuversichtlich, diese Minitour sitzen sie auf der linken Pobacke ab.

Randolf Schulze hat die Route erstellt, akribisch mit Karte, Navigationsgerät und diversen Handbüchern zum Wanderreiten entschieden, wann, wie lange und wo geritten wird. „Und doch kannst du nicht jedes Detail planen“, weiß er heute. Unverhofft kommt oft, vor Überraschungen ist kein Wanderreiter sicher. So findet sich die Truppe heute in einem Naturschutzreservoir wieder. „Ein abgebrannter Wald mit Kratern, weil hier mal ein Armeeübungsplatz war“, beschreibt Kathrin Schuldt. „Wunderschön“, da ist man sich einig.

Doch die Landschaft zieht sich. „Dort waren keine Wege, das macht es für die Pferde natürlich schwierig“, sagt Susanne Losekamm. An Sonnenschutz hat heute morgen natürlich niemand gedacht, das rächt sich hier, wo nur ein paar vereinzelte Birken, das Unkraut des Waldes, die Strahlen abfangen. „Kein Vogelgezwischer, kein Mensch nur endlose Birkenwälder“, beschreibt Kathrin Schuldt den Vormittag der Truppe. Weges des unwegsamen Geländes heißt es - mal wieder - absitzen und Pferde führen.

Und doch - die sechs Urlauber sind zwar allesamt ohne Wanderritterfahrung, scheinen der Herausforderung, die im Vorfeld von manchem Vereinskollegen als Harakiri bezeichnet worden war, aber gewachsen.

„Toll am Wanderritt sind vor allem die Momente, wo du solch eine Strapaze gemeistert hast“, sagt Kathrin Ihloff. Groß ist die Freude also, als Pferde wie Reiter das Ende des Reservoirs erreichen. „Weil es heute so wenig Kilometer sind, haben wir auf eine Pause verzichtet“, sagt Randolf Schulze. „Blöder Fehler“, ergänzt Kathrin Schuldt, denn am späten Vormittag knurrt trotz ausgiebigem Frühstück allen der Magen. Die Pflaumenallee kommt so gerade recht, die Zweibeiner lassen sich die Früchte schmecken. Mit vollen Bäuchen und schlechtem Gewissen, für die Pferde gab es nämlich nichts, geht es weiter.

Der Erlebnishof in Werder, wo die Truppe heute schlafen will, ist nun schnell erreicht. Hier die erste wirkliche Hiobsbotschaft des Wanderritts: Druse. Ein Wort, das jedem Pferdeliebhaber, das Herz in die Kniekehle rutschen lässt. Eine hochansteckende und für Pferde extrem gefährliche Krankheit.

Ohne Behandlung verläuft sie oft tödlich.

Das ersehnte Quartier unserer Wanderreiter steht jedenfalls unter Quarantäne, hier darf weder ein Pferd rein, noch raus.

Bevor die Stimmung kippt, kommt das Begleitauto angerollt. Der große Ford mit Tim Schuldt am Steuer und Hündin Miss Macy auf dem Beifahrersitz lässt die Reiter wieder lächeln. Jeder Reiter bekommt die per Handy versprochene Portion Eis. Susanne Losekamm organisiert zum Mittagessen eine Soljanka. Doch irgendwo müssen die Pferde heute Nacht schlafen. Hilfe naht aus dem Ort, ein neues Quartier ist dank den Betreibern des Erlebnishofes schnell gefunden. „Dafür ein riesiges Dankeschön“, sagt Kathrin Schuldt. „Mit Druse im Stall hat man den Kopf voll, trotzdem haben sich alle total lieb um uns gekümmert. Unter Pferdemenschen ist die Welt eben in Ordnung.“

Der neue Stall erweist sich als Vier-Sterne-Quartier. Bei Sabine Newman beziehen die Stuten Cosma, Kelly und Cassia, Wallach Förby sowie die Ponys Sidney und Seniorita geräumige Boxen mit herrlicher Aussicht und viel frischem Stroh. Newman ist über Italien nach Kalifornien ausgewandert und züchtete dort Pferde. Amerikanische Weite hat sie längst gegen deutsche Enge getauscht, Pferde bestimmen ihr Leben aber noch immer. „Ein wandelndes Lexikon“, sagt Kathrin Schuldt über Sabine Newman. „Ich könnte ihr stundenlang zuhören.“ Wer Schuldt kennt und Newman nicht, ist jetzt trotzdem von der Frau aus Werder beeindruckt, denn stundenlanges Zuhören ist sonst nicht unbedingt die Sache von Kathrin Schuldt. Im heimischen Verein hören 30 Mitglieder auf ihr Kommando, fünf von ihnen hat sie mit Enthusiasmus und Beharrlichkeit vom Wanderritt in den Spreewald überzeugt, die restlichen „Preußen“ (Besagter Verein heißt nämlich „Preußen 1754“ Mützel.) sind per Whatsapp, Facebook und Telefon irgendwie mit dabei und schauen Schuldt teils ungläubig, teils bewundernd dabei zu, wie sie ihre Mannen tatsächlich ans Ziel zu bringen scheint. Nur noch rund 70 Kilometer trennen die Reiter von Lübben im Spreewald.

Morgen stehen 30 Kilometer an. Von Werder geht es dann nach Baruth. Was unsere Reiter erleben, berichten sie live im Alpha-Report.

Dritte Etappe

„Wanderreiten ist wunderschön“, sagt Susann Losekamm. Die 37-Jährige reitet seit ihrer Kindheit, das erste Pony bekam sie mit 10. Trotzdem ist es für sie - wie für ihre Mitstreiter - der erste Wanderritt.

„Man lernt viele neue Leute kennen“, sagt Kathrin Schuldt. In Brück zum Beispiel Thomas Haseloff, Mitorganisator des Kaltblutevents „Titanen der Rennbahn“, das traditionell im Juni stattfindet. „Er hat uns mit dem Mähdrescher den Weg zur Autobahnbrücke gezeigt.“ Durch die Ortskenntnis von Haseloff sparen die Reiter rund zehn Kilometer. Balsam für Seelen und Hintern, die auf dem gestrigen Marathonritt ganz schön strapaziert wurden.

„Zum Glück habe ich eine große Dose Penatencreme dabei“, sagt Nicole Sturm und grinst. Bevor der Gruppe an der Autobahnbrücke das Grinsen vergeht, verabschieden sie sich von Haseloff mit einem Galopprennen. Das hatte er sich als Gegenleistung für die ortskundige Begleitung gewünscht. „So sind also sechs wilde Reiter über den Acker gefetzt“, erzählt Uwe Wirth. „Gewonnen haben Kathrin und Cosma.“

Deren Freude währt nicht lange. „Als wir vor der Autobahnbrücke standen, machte sich Angst breit“, erzählt Schuldt, die mit ihrer Fuchsstute zwar schon 1,40 Meter hohe Hindernisse überwunden hat, Brücken aber nicht zu ihrem Trainingsalltag zählt. „Das ist einfach wahnsinnig laut, Pferde reagieren empfindlich auf ungewohnte Geräusche und für unsere Vierbeiner sind unter einer Brücke durchdonnernde Autos und Lkw absolutes Neuland“, erklärt Schuldt.

Am schlimmsten getroffen hat es Randolf Schulze, der mit der fünfjährigen Cassia das unerfahrenste Pferd gesattelt hat. Und auch der Reiter strotzt nicht vor Erfahrung. Zwar kennt er sich im Springparcours aus und ritt als junger Mann bis zur mittelschweren Klasse, doch mit Anfang 20 hängte er den Pferdesport an den Nagel, widmete sich den Autos und der Jagd und entdeckte das Reiten erst 30 Jahre später wieder für sich. „Alles halb so wild, ich habe die Stute überzeugt“, sagt er auf der anderen Seite der Brücke angekommen sichtlich erleichtert. Auch die anderen können jetzt wieder lachen. In Deutsch Bork, einem Ortsteil von Linthe, kredenzt Tim Schuldt, der das Begleitfahrzeug steuert, das Mittagessen. „Heute gibt es leckere Reste“, sagt der 26-Jährige, während er Wachteleier aus dem Ford von Randolf Schulze holt.

Über Trechwitz und Barnitz führt ihr Weg die Gruppe durch ein Naturschutzgebiet. „Wunderschön“, sagt Kathrin Ihloff. Die 51-jährige Diplom-Landwirtin sitzt wie alle Damen der Gruppe seit der Kindheit im Sattel. „Natur, nette Leute und die Herausforderung“, sind für sie drei gute Gründe sich an dem Wanderritt zu probieren. Wie auf Bestellung lässt die nächste Mutprobe nicht lange auf sich warten. „Wir mussten über Brücken, die mit Kies und Wasser aufgefüllt waren“, erzählt Ihloff. Zwar sind alle Pferde wassererprobt, doch das war ihnen dann doch zu gruselig. Kelly und Uwe Wirth brechen den Bann und meistern das Hindernis zuerst. „Ausgerechnet Kelly, zu Hause das größte Hasenherz des Stalls“, wundert sich Kathrin Schuldt. „Ihr macht das Wanderreiten sichtlich Spaß.“

Freude hat die Stute seit fast zwei Jahrzehnten daran, ihre Reiter zu überraschen. Und so ist an Brücke Nummer zwei Schluss, Kelly gibt ihre Rolle als Leitstute dankend wieder ab. Plan B: Die Reiter steigen ab, zu Fuß passieren sie mit ihren Pferden alle sechs Brücken. Glücklich und mit nassen Schuhen erreicht die Truppe schließlich Treuenbrietzen, wo die Pferde sich ein ausgiebiges Sandbad gönnen. Die Reiter übernachten heute in Wohnwagen und Zelten, zum Abschluss des dritten Tages wird gegrillt und mit Tequila auf das Bergfest angestoßen. Morgen wollen unsere Reiter nach Jüterbog. Ob die gute Laune hält, berichten sie morgen live im Alpha-Report.

Zweite Etappe

Wanderritt von Mützel (bei Genthin) nach Lübben im Spreewald: Erste Etappe -inklusive Autobahnbrücke- gemeistert, in Rottstock gut gegessen und prima geschlafen, was soll nun noch schief gehen? Unsere sechs Wanderreiter sind guter Dinge, als sie sich heute nach dem Frühstück auf den Weg ins brandenburgische Brück machen. Auch das Auto rollt, Tim Schuldt sitzt am Steuer, Hündin Miss Macy hat auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Kathrin Schuldt, Kathrin Ihloff, Nicole Sturm, Susann Losekamm, Randolf Schulze und Uwe Wirth sind guter Dinge…

Doch bereits am frühen Vormittag dämmert ihnen, warum so mancher zu einer leichteren Tour oder einem von Profis geführten Ritt geraten hat. Immerhin hat keiner der Truppe Wanderritt-Erfahrung. „Wir sind zehn Kilometer um Rottstock geritten und haben nach einer Stunde gemerkt, dass wir noch immer in Rottstock sind“, fasst Kathrin Schuldt den Vormittag zusammen. Zwar hatten die Reiter ihre Route akribisch ausgearbeitet, unterwegs fiel aber die Navigation aus.

Auch der Kontakt zum Auto war über Stunden abgebrochen. „Wenn du nicht weißt, wo du bist, die Wege immer schlechter werden, das ist schon ein blödes Gefühl“, erzählt Kathrin Schuldt. Nächstes Problem: Hinter Rottstock fand sich die Truppe im Privatwald wieder. „Wir wurden verjagt und wussten nicht, in welche Richtung wir müssen.“

Um die Pferde zu schonen, stieg die Gruppe schließlich ab, und führte an der Landstraße entlang. „Irgendwann hatte ich ein GPS-Signal“, erzählt Nicole Sturm: „Man, waren wir erleichtert.“ Sturm ist wie Schuldt eher im Springsattel zu Hause, inzwischen reitet sie freizeitmäßig und betreibt mit Vater Uwe eine erfolgreiche Ponyzucht. Mit dem Wanderritt geht für die Diplom-Agraringenieurin ein Kindheitstraum in Erfüllung: „Natur und Pferde - hier kommen zwei Dinge zusammen, die ich liebe.“ Das sagt sie auch am Montagabend voller Überzeugung. 40 Kilometer sowie acht Stunden im Sattel stecken ihr und ihren Mitstreitern in den Knochen. „Wir haben alle wunde Hintern“, sagt Kathrin Schuldt, was Uwe Wirth allerdings energisch bestreitet. Im „wahren Leben“ ist der 60-Jährige Hausmeister, jahrzehntelang war er erfolgreicher und überzeugter Fußballer in Jerichow und Parchen, bevor er den Rücken der Pferde für sich entdeckte. „Für mich ist das eine riesige Herausforderung, weil ich erst seit einem Jahr Reitunterricht nehme.“ Er sitzt im Sattel des erfahrensten Pferdes, der 21-Jährigen Stute Kelly. Während sie und die anderen Pferde sich Hafer und Heu schmecken lassen, stärken die Zweibeiner sich bei Kartoffelsalat und Geschnetzeltem. Die Strapazen des Tages sind vergessen. „Wir haben heute Landschaften gesehen - das war fantastisch“, sagt Kathrin Schuldt. Morgen geht es von Brück nach Treuenbrietzen.

Der Anfang

Sportliche Premiere für sechs Reiter des Vereins "Preußen 1754" Mützel. Im Sattel ihrer Pferde machen sie sich im August 2017 auf den Weg in den Spreewald. Genauer, nach Lübben. Ein mutiges Unterfangen, immerhin hat keiner der Sportler Wanderritt-Erfahrung. Vereinsvorsitzende Kathrin Schuldt ist eher im Springsattel zu Hause, für den Wanderritt hat sie den mit einem kuschligen Lammfell bezogen. "Wir wollten auch den Mitgliedern was bieten, die keine Turniere reiten", sagt die 50-Jährige. So entstand die Idee vom Wanderritt, der die Truppe 200 Kilometer bis in den Spreewald führen soll. Die erste Etappe lief reibungslos. Sogar eine Autobahnbrücke haben die Reiter-Pferd-Paare ohne Probleme gemeistert. Nach einem Zwischenstopp in Karow erreichte die Karawane am frühen Abend das Quartier in Rottstock. Morgen geht es für Susann Losekamm, Nicole Sturm, Kathrin Ihloff, Randolf Schulze und Uwe Wirth weiter nach Brück.

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