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Rennsteig: Von schnellen Frauen und Stolpersteinen

Autorenbild: HeidelHeidel

Der Rennsteiglauf ist eine gigantische Sport-Show in den Thüringer Bergen. Die Marathon-Sieger der 45. Auflage im Mai 2017 heißen Nora Kusterer (Oberkollbach) und Marcel Krieghoff vom Rennsteiglauf-Verein, der die 42,195 Kilometer in 2:34 Stunden absolvierte. Der Alpha-Report präsentiert euch die spannendsten Momente des 20. Mai 2017.

5.55 Uhr, Eisenach: Unter den 2200 Läufern, die sich auf dem morgenfrischen Marktplatz warmtippeln, sind nur 400 Frauen. In wenigen Minuten fällt der Startschuss zur Königsstrecke des Rennsteiglaufs. Die Strecke wurde im vergangenen Jahr neu vermessen und beträgt jetzt 73,5 Kilometer. Die Gewinner dieses knallharten Ultramarathons werden gern als Könige des Rennsteigs bezeichnet. Ganz vorn in der Startreihe steht Frank Merrbach aus Friedrichroda. Er erinnert sich an seinen Zieleinlauf vor einem Jahr, als ihm eine Zeit von 5:29 Stunden zu Platz vier reichte. In diesem Jahr startet er für die LG Nord Berlin.

6.05 Uhr, Neuhaus am Rennweg: Der Sportplatz am Apelsberg beginnt sich zu leeren. Zum 40. Mal gehen die Läufer von diesem Punkt auf die Marathon-Strecke. Nicht jeder wirkt ausgeschlafen nach einer unruhigen Nacht in der Sporthalle. Da hilft nur eins: Ein gutes Frühstück mit Lauffreunden.

7.45 Uhr, Oberhof: Die ersten Blöcke sind unterwegs. Mit fast 8000 Läufern ist der Halbmarathon mit Abstand die beliebteste Strecke. In Block sieben starten Eric Kopp und Tobias Heidel von den Parchener Laufsocken. Die Jungs aus dem Magdeburger Flachland haben ihr Ziel ganz einfach definiert: Unter zwei Stunden bleiben!

7.55 Uhr, Oberhof: Am Biathlon-Stadion biegen die Läufer schon nach wenigen hundert Metern nach links zur ersten Steigung ab. In diesem Stadion hat Lokalmatador Sven Fischer vor 15 Jahren seine Weltcup-Punkte eingesammelt. Jetzt hat er mit den Läufern vor dem Start die Erwärmung durchgezogen.

8.05 Uhr, Oberhof: Die Thüringer Klöße bei der Startunterlagen-Party am Vorabend war locker und pikant. Die Thüringer Berge dagegen sorgen für heiße Oberschenkel. Es ist still geworden im Feld, jeder Läufer konzentriert sich auf den ersten harten Anstieg. Die Teilnehmer aus den hinteren Blöcken kämpfen nicht um Zeiten unter zwei Stunden, sie wollen nur eins: in Schmiedefeld ankommen, möglichst mit einem Lächeln: „Darauf habe ich mich ein Dreiviertel-Jahr vorbereitet“, erzählt Sabine aus Frankfurt/Oder.

8.20 Uhr, Rennsteig: Manchmal wird der Rennsteig-Schotter zur Stolperfalle: Mitten im Pulk geht ein Mittfünfziger unsanft zu Boden. Drei Leute aus seinem Umfeld kümmern sich sofort um ihn, er kann aufstehen - und weiter gehts. Den Schmerz der Schürfwunden am Knie wird er wohl im Ziel erst richtig spüren. Es geht bergab, aber keine Chance auf Geschwindigkeit. Zu dicht ist das Feld im gemächlichen Tempo beisammen. Auch das ist der Rennsteig, da treffen echte Rennsemmeln auf gemütliche Laufschnecken.

8.50 Uhr, Schmücke: Herrliche Stimmung am zweiten Verpflegungspunkt. Es gibt Wasser, Schorle, Cola, Bananen - und wer möchte, bekommt eine liebevolle Umarmung von den Helferinnen dazu.

8.52 Uhr, Schmiedefeld: Nach 1:22 Stunden wissen die Zuschauer: Anne Barber aus Berlin ist schnellste Frau auf der Halbmarathonstrecke. Nicole Kruhme hat hier schon häufiger gewonnen, allerdings stoppt eine Verletzung ihre Ambitionen.

9.05 Uhr, Großer Beerberg: Die Halbmarathonläufer der gemütlichen Kategorie sind nach einem langen Anstieg auf dem höchsten Punkt ihrer Strecke angekommen - 980 Meter über dem Meeresspiegel. Tobias Heidel von den Laufsocken klagt über Muskelprobleme im Oberschenkel. Er hängt hinter der geplanten Zwischenzeit zurück: "Das wird nix mit den zwei Stunden, jetzt möchte ich nur noch anständig das Ziel erreichen." Sein Kumpel Eric liegt im flüssigen Laufstil zehn Minuten voraus."

9.40 Uhr, Schmiedefeld: Samson Hayalu Tesfazghi aus Eritrea ist einst als Flüchtling zu uns gekommen. Er startet für den SV Sömmerda. Nach weniger als 70 Minuten läuft er als erster Sieger des Tages über die Ziellinie. Anderthalb Minuten später folgt ihm Triathlet Steffen Justus auf Platz zwei des Halbmarathons. Zehn Sekunden später ist auch der Potsdamer Tom Turley im Ziel.

9.44 Uhr, Schmiedefeld: Tobias von den Laufsocken ist erleichtert: Geschafft! Auf seiner Urkunde steht 2:04 Stunden. "Ich hab die Anstiege ein wenig unterschätzt." Teamkollege Eric Kopp erwartet ihn im Zielbereich, das er 16 Minuten zuvor erreichte.

11.34 Uhr, Schmiedefeld: Marathonsieger ist Marcel Krieghoff vom gastgebenden Rennsteiglauf-Verein. Er wiederholt seinen Erfolg aus dem Vorjahr in einer noch besseren Zeit. Der Jubel im "besten Ziel der Welt" begleitet ihn auf den letzten Metern zu einer fabelhaften Zeit von 2:34 Stunden. Die Plätze zwei und drei gehen an den Leipziger Sebastian Nitsche und André Fischer aus Erfurt. Genau 20 Minuten nach Krieghoff kommt Nora Kusterer aus Oberkollbach als schnellste Frau ins Ziel. Dort sagt sie: "Ich wollte die drei Stunden-Marke unterbieten. Um so schöner, dass der Sieg dabei herausgesprungen ist." Sie hat ihre Marathon-Bestzeit um sieben Minuten unterboten. Danach ging sie in den Zielbereich, um die Zweitplatzierte Daniela Oemus (Bürgel) in die Arme zu nehmen. In der Rennsteiglauf-Geschichte ist sie die erste Frau unter drei Stunden.

12.05 Uhr, Schmiedefeld: Melanie Albrecht erklärt beim Interview im Zielbereich: "Ich bin diese Strecke zum ersten Mal gelaufen, wollte erst mal wissen, wie sich dieser Ultralauf anfühlt." Die Supermarathon-Gewinnerin war nur 6:18 Stunden auf der Piste. Sie sagt aber auch: "Das muss nicht der letzte Sieg hier gewesen sein." Bei den Männern gewinnt Frank Merrbach aus Friedrichroda. Der Vorjahresvierte startet für die LG Nord Berlin. Zweiter wurde Maik Willbrandt aus Leipzig (5:27 Stunden) vor Christoph Latzko-Fünfstück (Leipzig; 5:32 Stunden). Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob Vorjahressieger Marc Schulze seinen Titel verteidigen kann. Doch er steigt in der zweiten Rennhälfte aus.

12.14 Uhr, Schmiedefeld: Axel Teichmann kommt ins Ziel. Der ehemalige Skilangläufer hat eine Mission: Er sammelt mit seinem Team Kilometer, die in eine Spendensumme für das Kinderhospiz in Tambach-Dietharz umgewandelt werden. Zu den prominenten Supermarathonis gehört auch Mittelstrecken-Olympiasieger Nils Schumann.

(Marie Weinmann)

13 Uhr, Schmiedefeld: Marie Weinmann aus Genthin in Sachsen-Anhalt strahlt mit der Thüringer Mittagssonne um die Wette. In der Hand trägt sie ein Blumensträußchen, in der Tasche einen Schiefersteinpokal als Auszeichnung für Platz zwei bei den Halbmarathon-Frauen. Niemand hatte die ehemalige Radsportlerin auf der Favoritenliste. Sie selbst am wenigsten: „Vorgenommen hatte ich mir, meine Vorjahreszeit von 1:38 Stunden zu verbessern.“ Das ist mit 1:30 Stunden mehr als nur gelungen. „Irgendwann hatte ich unterwegs erfahren, dass ich auf Platz drei liege. Danach fühlte es sich richtig gut an, als ich eine weitere Konkurrentin kassierte.“ Gemeint war Sandra Dänzer. Die Schweizerin rangierte eine Minute hinter Weinmann auf Platz drei. Weinmanns Bruder Paul lag mit einer Zeit von 1:18 Stunden ebenfalls im Halbmarathon-Spitzenfeld. Gemeinsam warteten sie im Zielbereich auf ihre Eltern Jenny und René, die auf der Supermarathon-Strecke unterwegs waren.

14 Uhr, Schmücke: Hunderte Supermarathonläufer sind noch auf der Strecke. Die gute Nachricht, sie haben knapp 60 Kilometer in den Beinen. Die schlechte: Es fehlen noch 13 Kilometer.

18 Uhr, Schmiedefeld: Der Rennsteiglaufverein postet auf Facebook: Der letzte Marathoni ist im Ziel!

Infos und Ergebnisse: http://www.rennsteiglauf.de

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